Dienstag, 30. Juni 2015

Wegesrand


Level 1, Welt 3: Himmelslevel
Freitag, 13.06.: Pilgern
Nachdem alle Utensilien an Bord waren fuhren wir mal wieder wir später als geplant gen Norden ab. Das geplante Ziel hieß Muxia in Galicien. Uns war klar, dass wir dadurch leider wieder Portugal verlassen werden, aber wer rum kommen will muß rum fahren....
Die geplante Strecke von 630 km nach Muxia war ordentlich weit und wir hielten uns jegliche Pausenoption offen. Es ging vorbei an namenhaften Spots wie Peniche und Nazaré weiter gen Norden. Auf Wiedersehen Portugal.
An dieser Stelle möchten wir ein riesiges Lob an unsere Sprößlinge loswerden. Die durchschnittliche Fahrtzeit von 5 Stunden stellt mit jeweils einer etwas längeren Pause von ungefähr 30 Minuten, keinerlei Problem dar und somit schafften wir unsere geplanten Reiseziele bisher immer. Davon kann und darf man eigentlich nicht ausgehen und daher: Danke ihr beiden Mäuse! Ihr macht das wirklich hervorragend.
Die erneut überaus entspannte Fahrt bei vollkommen leerer Autobahn endete für uns dann doch etwas früher in Santiago de Compostela. Auf den letzten Kilometern der Autobahn entschieden wir, dass es für heute genug sei. Gesagt-getan. Kurz den Campingplatz recherchiert und angesteuert, gefunden und geentert.  Auf dem Weg wurde zum einen die bisher höchste gemessene Außentemperatur registriert (40°)und die 5000 km – Marke übersprungen. Die beiden Vehikel erhalten an dieser Stelle auch ein Lob.
Wir bauten nur kurz auf und gingen dann direkt ins Restaurant am Campingplatz. Dieses entpuppte sich tatsächlich als bisher bestes Lokal der Reise und wir genossen eine Tapas-Vorspeisenplatte, Kalbsfilet mit gebratenem Gemüse, Hähnchenbrustsalat und köstlichen Wein. Zu absolut „unchristlichen Zeiten“ (in Santiago de Compostela darf mal eine solche Floskel her“)gingen wir dann rund gefuttert und „selig“ schlafen.

Samstag, 14.06. : Jakob sehen und sterben...
Nur 2km von unserem Campingplatz entfernt lag die Altstadt von Santiago de Compostela und damit auch die gleichnamige und weltberühmte Kathedrale.
Als beinahe Endziel des Jakobswegs pilgern jährlich 180.000 Menschen in die Stadt, so dass wir einen ordentliche Tourinepp erwarteten. Natürlich zeigte sich die Stadt toruistenfreundlich blieb dabei aber jederzeit angenehm und unaufdringlich. 


 Die Hauptstadt Galiciens ist komplett aus Granit gebaut und bietet in der Innenstadt wenig grün. Dafür besticht sie durch wundervolle Prachtbauten, unzähligen Kirchen und Kapellen, mal wieder engen Gassen und vielen Bogengängen, die bei der regenreichsten Stadt Spaniens vor Regengüssen schützen sollte. Auch am Erkundungstag  blieben wir frei von Regen und mit 30°C besorgte es uns Gevatter Lorenz ordentlich.

Stein-reich!

Da wir mit dem Rad in die Stadt getourt waren, spannten wir an einem Platz die Räder ab, bauten den Anhänger unter den staunenden Blicken der Umstehenden zum Kinderwagen um und pilgerten zur Kathedrale.
Nach mehrmaligem Wenden und Drehen des groben Stadtplans suchten wir an einer Häuserecke bereits unwirsch fluchend das Gotteshaus. ...Such....such....such.... das muss doch hier irgendwo sein.... um einen Schritt weiter um die Ecke den Bau zu erblicken.
Die Kathedrale Santiago de Compostela war quasi direkt nebenan und wir fühlten uns von ihr belächelt.

Holy sunshine!

Nun dann - hinein ins Vergnügen. Da ich noch dunkel in Erinnerung hatte, dass man in Gotteshäuser doch zumindest angemessen gekleidet schreiten sollte, hatte ich allerhand Schulter- und Beinbedeckendes mitgenommen, um es am Ende dann doch nicht zu nutzen. Der Strom aus der Kathedrale gekleidet in Tanktops, Basketballshirts und ultra-knappen Hotpants überzeugte mich davon, dass wir offensichtlich ausreichend bekleidet waren. Der Wille zählt!


In der Kathedrale angekommen begann gerade in einer der Seitenkapellen ein deutscher Gottesdienst und man fand an jeder Ecke hinweise zu folgenden englisch sprachigen, spanischen, portugiesischen etc. Gottesdiensten. Das und der Flatscreen am Eingang sprachen deutlich die Sprache: Wir haben unsere Zielgruppe verstanden und stellen uns darauf ein. Nach den Spaniern, sind übrigens die Deutschen auf Platz zwei der in Santiago eintreffenden Pilger.


Während Matze versuchte das Weihwasser nicht zu verdampfen, stellte ich mich an, den Altarraum zu besichtigen und damit einmal den Heiligen Jakob und Namensgeber des Jakobswegs zu berühren. Wenn dieses Erlebnis bei mir eher dem gestalterischen Interesse des Altars galt, schien eine Dame, die zunächst hinter mir war, sich dann vordrängelte und dann einige Personen wegstieß  um schneller zu „Ihrem“ Heiligen zu gelangen. Ein mitgebrachtes Foto von ihr und vermutlich ihrer Tochter, hielt sie an jeden Stein und jede Ecke des Altars. Bei so viel Heiligenverehrung und – wahn wurde es mir doch ein wenig anders.
Nun gut...unser kleines Wunder, Orlina, stolzierte dann auch noch in der Kirche an der Hand - wer in der Kathedrale des heiligen Jakob nicht ans Laufen kommt...

Schritte auf heiligem Boden
Wir durchstreiften anschließend die Gassen und genossen das sehr angenehme Flair des Pilgertourismus. Die eintreffenden Wandersleute wirkten allesamt „angekommen“ und rangen uns ordentlich Respekt ab, unabhängig davon, wie weit ihre Reise auch gewesen sei. Alle waren sehr freundlich und höflich, quatschten und bespaßten die Kinder und waren insgesamt entspannt.

nicht über Wasser...aber immerhin

Während wir so durch die Gassen strolchten, fanden wir einen kleinen Platz mit einer der wenigen kleinen Wiesen in Santiago und nutzen diesen zur Rast. Kurz danach machten wir uns mit Eis erneut auf den Weg, entdeckten in einem Treppenabgang der Kathedrale eine Opernsängerin, die dort einige berühmte Stücke (z.B. Ave Maria) zum Besten gab. Hier konnten die weiblichen Teilnehmer nicht wiederstehen und gesellten sich zu den anderen Zuhörern auf die Treppe. Nachdem Stephie versuchte Franka zu erklären „warum das denn so laut sein muss“, genossen wir einige Momente und lauschten den Klängen großartigen Sängerin. 

 Nur einige Meter von dieser Performance entfernt, durften wir dann noch einer spanischen Hochzeitsgesellschaft bei den üblichen Bräuchen nach der Trauung zuschauen. 


Trotz des mangelnden Bewuchses in der Stadt bekam Matze einen ordentlichen allergischen Anfall (vielleicht reagierte er aber auch nur auf das Hochzeitsgeschehen, wer will das schon genau sagen??). In der örtlichen Farmacia bekam man dann auch ein normalerweise verschreibungspflichtiges Antihistaminikum für 6, 25 Euro. Auf die Nachfrage ob es in Spanien rezeptfrei sei, antwortete der Apotheker. „ Nein. Wollen sie eine Tüte?“. Okay und der endlich mal zum Einsatz bereit gehaltene Arztausweis verschwand wieder ungenutzt in der Tasche.  Nach einem anschließenden Estrella Galicia und Tapas beruhigte sich das Immunsystem wieder.


Ich interpretierte dann anschließend die reinigende Erfahrung einer Pilgerreise etwas freier und machte Großreine im Wohnwagen. Sämtliche Schränke, Kühlschränke, Badezimmer und sonstige Ecken und Enden unseres Gefährts wurden bis halb 2 nachts gewienert und unser Einachser glänzte am nächsten Tag fast wie neu!

Dann kann es morgen frisch weitergehen....

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